
Was, wenn Führung bald von Algorithmen übernommen wird und wir es gar nicht bemerken?
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Wir befinden uns mitten in einer Zeit beispielloser Beschleunigung. Künstliche Intelligenz analysiert, entscheidet und strukturiert – schneller, präziser und unermüdlicher, als es Menschen je könnten.
Routineaufgaben verschwinden in automatisierten Systemen, etablierte Rollen verschieben sich, und Teams spüren deutlich das rasante Tempo, auch wenn ihnen die Richtung nicht immer klar ist.
Inmitten dieses tiefgreifenden Wandels taucht eine Frage auf, die zunächst leise daherkommt, aber unsere gesamte Arbeitswelt betrifft: Was bleibt eigentlich noch als Aufgabe der Führung, wenn Technologie so vieles übernimmt?
Die Antwort ist paradox. Führung bleibt nicht nur unverzichtbar. Sie wird sogar wichtiger. Allerdings verwandelt sie sich grundlegend. Sie entwickelt sich weg von einer Instanz der Kontrolle hin zu einer Kraft der Orientierung. Was sie heute braucht, ist weniger Tempo, dafür mehr Haltung. Weniger Steuerung, dafür mehr echte Präsenz.
Der Grund dafür liegt in dem, was Künstliche Intelligenz kann und was sie niemals können wird. KI erkennt selbst komplexeste Muster in Sekundenschnelle, aber sie spürt keine zwischenmenschlichen Spannungen. Sie analysiert Sprache bis in die feinsten Nuancen, aber sie hört nicht die Erschöpfung zwischen den Zeilen. Sie misst Produktivität auf drei Nachkommastellen genau, aber sie versteht nichts von Sinn und Bedeutung.
Hier entfaltet sich der wahre Raum moderner Führung: Sie lenkt den Blick auf das, was Technologie grundsätzlich nicht leisten kann; auf Verbindung, Vertrauen und Bedeutung. Sie wirkt in den Zwischenräumen menschlicher Begegnung. Dort, wo Menschen zögern und unsicher sind. Dort, wo es keine eindeutige Antwort gibt. Dort, wo jemand gebraucht wird, der nicht einfach nur weiss, sondern der auch Unsicherheit und Nichtwissen aushalten kann.
Während bereits heute vieles automatisiert wird, entsteht der Bedarf nach einer Führung, die nicht schneller wird, sondern aufmerksamer. Die Resonanz wahrnimmt, nicht nur Ergebnisse betrachtet. Die Spannungen erkennt, bevor sie eskalieren. Die Menschen sieht und nicht nur Prozesse optimiert.
Diese Beobachtung wird durch die Realität unserer Arbeitswelt bestätigt. Aktuelle Umfragen zeigen ein alarmierendes Bild: Vier von fünf Führungskräften fühlen sich emotional erschöpft, während das Vertrauen der Mitarbeitenden in ihre direkten Vorgesetzten auf historische Tiefstwerte gefallen ist. Parallel dazu wächst bei den Beschäftigten die Angst, im KI-Wandel den Anschluss zu verlieren. Doch diese Angst ist alles andere als diffus, sie ist sehr konkret.
"Es sind nicht die spekulativen Zukunftsszenarien einer feindlichen Superintelligenz, die die Menschen beunruhigen. Vielmehr sind es die unmittelbaren und konkreten Risiken wie Arbeitsplatzverlust, Diskriminierung durch voreingenommene Algorithmen und die Verbreitung von Fehlinformationen" (Synthese aktueller Forschungsliteratur zur KI-Entwicklung, 2024-2025).
Eine internationale Untersuchung mit über 10.000 Teilnehmenden bestätigt diesen Befund: Die Sorge um unmittelbare Risiken durch KI – etwa Jobverlust oder algorithmische Ungerechtigkeit – dominiert deutlich gegenüber der Furcht vor fernen Katastrophenszenarien (Hoes & Gilardi, 2025).
Was in solchen Momenten wirklich hilft, ist nicht noch mehr Technologie, sondern menschliche Führung, die präsent ist, zuhört und wahrnimmt. Die Raum schafft für das, was Menschen wirklich bewegt und beschäftigt.
Dennoch bleibt eine unbequeme Frage, die wir uns ehrlich stellen müssen: Ist diese Form ein Zwischenschritt und damit ein vorübergehender Trost, während sich die Technik noch zurechtfindet?
Möglicherweise wird KI schon bald Teammeetings moderieren, Feedbackgespräche führen und Stimmungen analysieren. Vielleicht steht in nicht allzu ferner Zukunft in jeder Abteilung eine intelligente Box, die präzise sagt, was als Nächstes zu tun ist, ohne Zweifel, ohne Müdigkeit und ohne Pause.
Aber was dann?
Wer wird noch die Spannungen erkennen, bevor sie in Daten messbar werden? Wer wird die unbequemen Fragen stellen, die in keinem System vorkommen?
Die Antwort liegt möglicherweise in einer anderen Betrachtung. Menschlichkeit in der Führung ist keine Brücke in eine technologische Zukunft, sie ist das Fundament, auf dem alles andere steht. Je mehr uns Technik entlastet, desto deutlicher wird Führung ist Beziehung, ist Bewusstsein und Gegenwart. Das ist, wo KI an ihre Grenzen stösst.
Bleiben wir also Führungskraft. Denn Zukunft entsteht nicht im System. Zukunft entsteht im menschlichen Kontakt.
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Manuela Frenzel ist unabhängige Publizistin für Technologie und Gesellschaft.
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Hinweise und Transparenz:
KI-Anwendung bei der Erstellung: Zur Strukturierung der gesammelten Informationen für diesen Artikel wurde Künstliche Intelligenz (KI) verwendet.
Vertonung: Für die Vertonung des Textes wurde die Stimme Eve von Elevenlabs eingesetzt.
Das Headerbild ist eine eigene Kreation mit Midjourney